July 29, 2010

Popper and Papacy: Paradigma und Dogma


Aber dir ist schon klar, dass man Gott plus Sternenstaub gleich Adam bzw. Gott plus HG (Heiliger Geist) gleich Jesus
auf andere Art und Weise denkt als
2 plus 2 gleich 4 bzw. "9/11" plus "11/9" (1989) gleich SJ-Equilibrium, oder?

Während manche lieber
auf Teufel komm raus auf Biegen und Brechen alles in Grund und Boden mystifizieren,
investieren andere ihre Denkfähigkeit eben in die Entmystifikation gewisser ...



07/28'10 Papst oder Popper, Dogma oder Paradigma – that's all?


Perfekt, Bossko!
Ich überleg jetzt schon 'ne ganze Weile, wie man es noch prägnanter ausdrücken, noch "schlagender beweisen" könnte (as kinda "smoking gun"), welch ein "verknöcherter" LEGO-Formelkasten diese ganze Büchertheologik in Wirklichkeit ist ... und mir will einfach nichts besseres einfallen als das, was du hier anbietest (worauf natürlich schon andere gekommen sind).
Meine Formulierung vom 21.5. unter "Motor des Quantensprungs" ging da noch

"Man erkennt an diesem Punkt nur zu deutlich, welch hohle Gestalten Buchreligionen im Grunde sind. Was für Nullnummern sich da künstlich aufplustern. Unendlich aufgemotztes theatralisches Blendwerk muss abgefackelt werden, um die Geringfügigkeit der religiösen Substanz zu verschleiern. 'LEGO-Baukästen' voller vielseitig einsetzbarer Sinn-Klötzchen, mit denen sich intellektuelle Überlegenheit in Geschäftsvorteile und Pensionsansprüche ummünzen lässt – mehr ist das alles nicht. Eine (bücher)staubtrockene Sprechblase aus trockengelegter Natur- und Ur-Religion voller Saft, Kraft und Abenteuer, direkt erfahrbar und vor allem: sichtbar."

Aber du scheinst ja jetzt daherzukommen und willst sämtliches geistiges Geschehen – sofern es sich in mit Worten eingefangenen Sinnkombinationen vollzieht – als eine Art Sinnklötzchen-Kybernetik verstanden wissen, wenn ich das richtig verstehe ("manche mögen's sozio-kybernetisch").
Geht das soweit, dass du episkopalem Alltagsvokabular wie "Frohe Botschaft" z.B. oder "Wächterin der Freiheit", "Kultur ohne Wahrheit", "Apriorismus, der voller Häresien steckt" usw. denselben erkenntnistheoretischen Stellenwert einräumst wie Begriffssystemen aus den positivistischen Fakultäten?
Darf ich dann dieses "Ach Tosco" und "Gott ist ein unentscheidbarer Satz" so verstehen, dass du zwischen gottlogischen "Beweissätzen" (das Ööl'sche "Glaubenswissen") und an sich logischen "Theoriegebäuden" (d.h. ohne den Blankoscheck dieser Aushilfskarte erzielte, die ja nun auch nicht in jedem Kartenspiel ihren Trumpf ausspielen darf), keinerlei Unterscheidung akzeptieren möchtest?
Dass mystifizierende und demystifizierende Tendenzen sozusagen de facto überhaupt nicht existieren bzw. vollkommen irrelevant wären?
Dass die kreationistische "Uhrmacher-Gott"-Theorie und die darwinistische Evolutionstheorie ob ihres linguistischen Auftretens praktisch gleichwertige Erklärungskonzepte mit gleich hohem Gebrauchswert und gleichberechtigtem Anspruch auf kognitive Qualität darstellen?
Und dass mehr als "Dogma trifft Paradigma" (bzw. umgekehrt) praktisch nicht drin ist fürs menschliche Sprechwesentum? Der Papst oder der Popper-Karl – and that's it?

Kennst du die erste Amtshandlung von Robbie Coltrane in Jimmy McGoverns Krimiserie "Cracker" ("Für alle Fälle Fitz" – lief im ZDF, wenn auch unvollständig), in der er als Profiler fürs Morddezernat eine Gastvorlesung vor Psychologiestudenten hält? Alle elf Folgen werden übrigens bisher von Youtube unbehelligt gelassen – auf dem Kanal von "featherboalover" ...

"The bride in white sees herself as the widow in black. She's only just married him but already she's planning for the day she'll bury him, and she'll be centre stage once more. I rehearsed the death of my father for years. I even got a little bored. I knew all my lines but he was still alive and I never got my opening night. So go and lock yourself in a room for a couple of days and study what is here. The things that you really feel. Not all that crap that you're supposed to feel. And when you've studied, when you've shed a little light on the dark recesses of your soul – that is the time to pick up a book."

Die Resonanzen mit McKenna's "Reclaim your mind" sind unüberhörbar:

"And what's really important is, I call it, the felt presence of direct experience which is a fancy term which just simply means we have to stop consuming our culture. We have to create culture. Don't watch TV, don't read magazines, don't even listen to National Public Radio. Create your own roadshow."


Das beredte Schweigen der Natur


Selbst Goethe haut in diese Kerbe!
Huxley zitiert den illuministischen "Geheimrat" in seinen "Pforten der Wahrnehmung":

"Der Intellektuelle ist der Definition nach der Mensch, für den, wie Goethe schrieb, das Wort 'eigentlich fruchtbringend' ist. Er ist der Mensch, der fühlt, dass, 'was wir durchs Auge auffassen, an und für sich fremd und keineswegs so tiefwirkend vor uns steht.' Und doch blieb Goethe, obgleich selber ein Intellektueller und einer der größten Meister der Sprache, nicht immer bei dieser seiner eigenen Einschätzung des Wortes.

'Wir sprechen,' sagte er um die Mitte seines Lebens, 'überhaupt viel zu viel. Wir sollten weniger sprechen und mehr zeichnen. Ich meinerseits möchte mir das Reden ganz abgewöhnen und mich wie die organische Natur in lauter Zeichnungen ausdrücken. Jener Feigenbaum, diese kleine Schlange, der Kokon, der dort vor dem Fenster liegt und seine Zukunft ruhig erwartet, alles das sind inhaltsschwere Zeichen. Ja, wer nur ihre Bedeutung recht zu entziffern vermöchte, der würde alles Geschriebene und alles Gesprochene bald zu entbehren imstande sein! Je mehr ich darüber nachdenke, es ist etwas so Unnützes, so Müßiges, ich möchte fast sagen Geckenhaftes im Reden, dass man vor dem stillen Ernste der Natur und ihrem Schweigen erschrickt, sobald man sich ihr vor einer einsamen Felsenwand oder in der Einöde eines alten Berges gesammelt entgegenstellt!'

Wir können nie ohne Sprache und die anderen Symbolsysteme auskommen, denn gerade mit ihrer Hilfe, und nur mit ihrer Hilfe, haben wir uns über die Tiere auf die Stufe menschlicher Wesen erhoben. Aber wir können leicht ebenso die Opfer wie die Nutznießer dieser Systeme werden."

Heißt es nicht "IM Anfang war das Wort"?
"Im Anfang" predigend-postschamanischer und bürokratisch-eingetrübter Religionsausübung auf jeden Fall!

Ich find's ja immer witzig, wenn Genugtuung in Überheblichkeit umschlägt und sich dann wenig später meist selbst in den Hintern beißt – nirgendwo öfter und variantenreicher zu erleben als im digitalen Flüsterweb ...
War "bigboss" schon vergeben, ja?

Nun, auch bei "Unwägbarkeiten" gibt es Gewichtsverteilungen.

"Ihre Unterscheidung zwischen Subjekten und Objektiv ist gelinde gesagt albern, es gibt nämlich keine Objektivität, nur Intersubjektivität einer Gruppe. Und wenn Sie sich zu den Entscheidern zählen, dann überschätzen Sie sich, es haben schon viele entschieden, und keiner hat's geglaubt."

Ein Formallogiker, der weiß, wovon er redet, sollte eigentlich eine Bereicherung für diese Gesprächsrunde sein, aber für den Fall, dass du diesen Intersubjektivitätsquatsch (Student vielleicht? 4./5. Semester – so in der Drehe?) ernsthaft aufrechterhalten willst, "befürchte" ich, dass Lanze letztlich als Sieger vom Platz gehen wird:

"Es ist doch absurd, die Widerspruchsfreiheit oder gar die Gültigkeit sozialer Systeme oder gar der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte mit mechanistischen Ableitungen beweisen oder widerlegen zu wollen. Wenn Sie hier mit Ihrer formalistischen Beschränkung und Ihrem Gödelschen Unvollständigkeitssatz überhaupt etwas entscheidbar zeigen, dann doch wohl Ihren Realitätsverlust!"

Und wo hast du herausgelesen, shroomin würde "leugnen", dass "jedes Denken existent ist"?

Ich könnte es mir sehr sehr interessant vorstellen, mit einem versierten Spracharithmetiker einige der McKenna-Vorlesungen, die im Web herumschwirren, durchzugehen – Terence McKenna, der auf die Frage "We've taken some giant steps because this evening would not have been possible fifty years ago, or twenty years ago even – what happened?" (scheinbar) lapidar antwortete: "Language."
"The world is made of language" fällt einem da sofort ein oder der zweite der drei "Trialogues at the Edge of the Millenium" with Rupert Sheldrake and Ralph Abraham about "The (most unexpected) Guest". "Psychedelics in the Age of Intelligent Machines" wäre der nächste heiße Kandidat.
Das würde die ganze Frömmigkeitskiste mit zusätzlichem Gewicht ausstatten ...
Aber vorher muss ich noch einige andere gewichtige Anregungen berücksichtigen, die schon darauf warten aufgegriffen zu werden.



07/29'10 Die verbeamtete Phantasie


Dann glaubst du also, auf andere Weise an Gott/Baal ("als Baal wird gewöhnlich der oberste Gott des örtlichen Pantheons bezeichnet") zu glauben als die gläubige Mehrheit ("die meisten Menschen glauben so"), die ein ursprüngliches Bindungsgefühl (wieder)herstellen will ... (Marduk – "Oberhaupt des babylonischen Pantheons: Manche schreiben ihm die Schaffung der Welt zu.")

Was du hier beschreibst, Tharzo, ist aber nun nicht der "himmlische Weihnachtsmann" der Christianisierungsbehörde sondern vielmehr das Göttlich-Geistige an sich, in das sich Afrikaner schon seit 50.000 Jahren einklinken und in ihrem "Geiste erkennen". Mit dem Jesus-Motiv wurde ja lediglich eine Einheitsreligion unter einem Führer begründet, mit der verschiedene Fraktionen unter einen verwaltbaren und die Pharaonenherrschaft fortführenden Hut ("Schäfermantel = Shepherd's Fold") gebracht werden konnten.

"Je mehr ich über Gott weiß, desto weniger kann ich über ihn sagen."
Das glaub ich dir gern. Aber findest du's nicht trotzdem spannend, es wenigstens zu versuchen? Ich meine, so gut es eben geht? Das macht doch Selberdenken (den inkulturierten Memen "ein Schnippchen schlagen") erst reizvoll, dass man mit eigenen Gedanken in neue Welten vorstoßen und diese mit seinem kosmisch einzigartigen Bewusstsein (meines Wissens nie klarer in Worte gefasst worden als in Ian Xel Lungolds The-Mayan-Calendar-Comes-North-Vorlesung) wie ein Magellan oder ein Santos=Dumont erforschen kann ...

Huxley macht in seinen "Pforten der Wahrnehmung" (S. 102) auf einen zentralen Zusammenhang aufmerksam:

"Das negative visionäre Erlebnis ist oft von körperlichen Empfindungen einer außergewöhnlichen und charakteristischen Art begleitet. Seligkeit spendende Visionen sind im allgemeinen mit einem Gefühl der Trennung vom Körper verbunden, einem Gefühl der Entindividualisierung. (Es ist zweifellos dieses Gefühl der Entfernung von ihrem Selbst, das es den Peyote-Kult treibenden Indianern ermöglicht, die Droge nicht bloß als Abkürzungsweg in die visionäre Welt zu benutzen, sondern auch, um ein liebevolles Zusammenhalten in der teilnehmenden Gruppe zu wecken.) Wenn das visionäre Erlebnis schrecklich und die Welt zum Schlechteren hin verändert ist, wird die Individualisierung verstärkt, und der negative Visionär sieht sich mit einem Körper verbunden, der immer undurchdringlicher zu werden scheint, sich immer praller füllt, bis er sich schließlich darauf reduziert fühlt, das gequälte Bewusstsein eines verdichteten Klumpens Materie zu sein, nicht größer als ein Stein, den man in den Händen halten kann. Es ist bemerkenswert, dass viele der in den verschiedenen Berichten über die Hölle beschriebenen Strafen aus Druck und Zusammengepresstwerden bestehen. Dantes Sünder werden im Schlamm begraben, in Baumstämme eingesperrt, in Eisblöcken festgefroren, von Steinen zermalmt. Das Inferno ist psychologisch wahr. Viele seiner Qualen werden von Schizophrenen erlebt und auch von denjenigen, die Meskalin oder Lysergsäure unter ungünstigen Bedingungen genommen haben."


Himmlische Entindividualisierung, höllische Extremindividualisierung – interesting, isn't it?

Schlesingers "Religion ist etwas sehr persönliches, sie ist keine 'Organisation'" halte ich zwar prinzipiell für richtig, aber auch ein wenig überzogen, denn visionäre Gotteserfahrungen (unter intensivster seelischer Anteilnahme!) mit anderen teilen zu können, ist doch fast genauso gut, wie sie aktuell zu durchleben. Und Geselligkeit, denke ich, stellt sich dort am leichtesten und schnellsten ein, wo das am besten funktioniert. Vielleicht wird es mit Quantencomputern irgendwann sogar möglich sein, jemanden mit durch seine Träume und Trips zu "schleifen" ...

"Für mich steht Gott als das Symbol für Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit."
Du hast die Ewigkeit vergessen (Stichwort "Verähnlichung der irdischen mit der himmlischen Stadt") ... oder wolltest du mit Absicht deutlich machen, dass es sich bei der "Göttlichkeit" menschlicher Geistesexistenz, die von den Agenten (Missionaren) Roms mit ihren Amtskirchen europaweit verbeamtet wurde, nicht unbedingt um den Christenbaal und ums "Christusbewusstsein" handeln muss?

Autharis DPQ-28.07.10-13:08 ...
Turnusgemäß gehst Du auf einen merkwürdigen Tripp, toharz. Deine eigenen Wiedersprüche kannst du leider nicht erkennen. Erich Fromm ohne Selbstreflektion!

"Wer irgend einer Art von Religion zur Stütze seiner Sittlichkeit bedarf, dessen Moralität ist nicht rein, denn diese muss ihrer Natur nach in sich selbst bestehen." Karoline von Günderode

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