June 25, 2010

Größtmögliche Genauigkeit


06/18'10 Eine Frage der Überheblichkeit

Die sogenannte römische Kirche beherrscht Europa seit über 1.000 Jahren. Monotheistisch, "ruthless and monolithic."
Von Fahrradfahrern und Campingfreunden sind mir dagegen weder Blutschwüre noch irgendwelche dogmatischen Manifeste, Katechismen, Enzykliken oder sonstiges bekannt.
Den Jesuitismus und Solidarismus auf eine Stufe mit Mountainbikerologie und Dauercampistik zu stellen, lässt einen verblüffenden Denkansatz vermuten ... Ich platze förmlich vor Spannung!

06/20'10 Größtmögliche Genauigkeit

Soll das heißen, du denkst, ich will Jesuiten verkloppen gehn? Oder Katholiken, Kommunisten und sonstige Apologeten? Na du machst mir vielleicht Spaß! Sehr schön, toharz, so kommen wir ins Geschäft.

Vielleicht stimmt der Ton noch nicht ganz, in dem ich schreibe, denn ansonsten scheint mir als Grund für dieses Missverständnis nur dieses (altbewährte) Propagandakonstrukt aus sogenannter Verschwörungstheorie in Frage zu kommen. Aber da verwechselst du den "Jesuitenjäger" mit den Jesuiten selbst:

"Ein Jahr zuvor [1937] verbreitete dieses Sprachrohr des Vatikans ['Civiltà cattolica'] es als 'eine offensichtliche Tatsache, dass die Juden auf Grund ihres Herrschaftsgeistes und ihrer revolutionären Übermacht ein störendes Element sind. Das Judentum ist [...] ein Fremdkörper, ein Entzündungsherd, der Reaktionen jenes Organismus hervorruft, den er befallen hat.' Anschließend erörterte die Zeitschrift ohne eindeutige Tendenz verschiedene Formen der 'Eliminierung', als funktional gleichwertig. Sie gab damit zu erkennen, dass die einzelnen Lösungen grundsätzlich ihrer Einschätzung der Frevelhaftigkeit der Juden und der von ihnen ausgehenden Gefahr für die christliche Gesellschaft entsprachen."

Wenn du dir in Goldhagens "Die katholische Kirche und der Holocaust" die Seiten 111-115 durchliest, wirst du vielleicht verstehen, wieso es ein Jesuit gewesen ist, der "Mein Kampf" geschrieben hat und nicht Hitler, der keine Bücher las ("Hitler was a buffoon"). Oder S. 64: "'Alle' kommunistischen Revolutionäre, behauptet Pacelli in diesem Brief, seien Juden." Der Hass, von dem du sprichst, und du hast völlig recht damit, auf Gruen und Fromm zu verweisen, wurde aus politischem Kalkül gesät: "Antisemitismus führte zum Holocaust. Antisemitismus war ein fester Bestandteil der katholischen Kirche." (S. 54) Dir scheint nicht bewusst zu sein, dass es sich bei der katholischen Institution um eine politische Entität handelt, der Religion nur als Zweck dient:

"I don't mean to offend anyone by this, but for the Vatican, Jesus is a shill, the ultimate shill." Richard Bell

Nochmal in aller Deutlichkeit: Jesuitenjagen ist keine Lösung, weil es sich eben um keine Verschwörung handelt – ich betone das die ganze Zeit. Dass Greg Szymanski glaubt, "man müsse der Schlange nur den Kopf abhacken, dann würde der Rest dieser Vatican-led New World Order von selbst zusammenbrechen", kommt daher, weil er in dieser Begriffswelt aus Verschwörungstheorie denkt. Ich halte das für einen Fehler: Es gibt keine "Jesuitische Weltverschwörung" analog der vom Orden in die Welt gesetzten und mit "9/11" und im neuen digitalen Chatroom von Kolonnen katholischer Webtagebuchschreiber wieder aufgefrischten "Jüdischen Weltverschwörung". Es gibt natürlich verschwörerische Aspekte, doch der Kern des Rätsels, der Motor der Maschine liegt eindeutig woanders, und zwar in offener und geheimer Frömmigkeitspolitik. Der Aspekt der Glaubensbeherrschung schlägt den der Geheimhaltung um Längen. Schon seit Ewigkeiten.

Ich will nicht Hass akkumulieren, sondern Verständnis. Mir nützt ein gesprächiger Provinzial vor laufenden Kameras unendlich mal mehr als ein ausgeschalteter römischer Agent. Der Jesuitenorden stellt ja nur die mächtigste Mafia in einem Mafia-System dar, und es geht darum, das System und die eigene Rolle darin zu verstehen, was mir wiederum nur möglich scheint, wenn man zumindest erahnt, mit welchen "Tricks" sich das 100.000köpfige Priesterheer der Tempelritter unserer Tage zur Weltmacht aufschwingen und diesen Thron zur Festung ausbauen konnte. Meine Überschriften lauten "Machtsystem und Mystagogie", "Wölfe im Schäfergewand" oder "Komplexität als Waffe" usw. – du wirst bei mir nirgendwo einen auch nur in Ansätzen ähnlich eliminatorischen Aufruf finden wie in den römischen Kirchenschriften und bei den Nationalsozialisten. Ich will verstehen, was diese Quasi-Götter auf Erden mit mir und anderen anrichten, indem sie die Erziehung und die Gesellschaft in ihrem gesamten kulturellen Spektrum kontrollieren und gestalten ...
Meine Jagd gilt sozusagen größtmöglicher Genauigkeit.

Es gäbe so viel mehr dazu zu sagen – ich hoffe, du lässt mich nicht hängen.

06/20'10 Mystagogische Spinner

Sorry, aber ich bin kein Illuminat wie der Geheimrat, dem die Sonne seinen Sittentag erleuchtet und dessen edle Geisterschaft überm römischen Kragen wohnt.
Kein einziger von diesen Propheten schafft es mehr mir etwas vorzubeten ...

Ich "verlier mich" anderswo sehr viel effektiver und gründlicher und vor allem menschlicher.
Mystisches Gequatsche à la Goethe oder St. Öölius banalisieren in meinen Augen die mystische Dimension anstatt sie anzuzapfen.

Wie aszetisch wird Santo Eduardo wohl leben?
Werfe er einen Blick ins "Mushroom Magazine", dort wird ihm augenblicklich geholfen.

Übrigens: Die Überschrift war nicht als Kompliment gedacht, Signorina Ignorina.
(*Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wurde wegen unsachlicher Wortwahl editiert.)

06/27'10 per personal message)
Dann hätte sich dieses "Signorina Ignorina" also nicht irgendwie bösartig für dich angehört. Das wollte ich nur wissen, weil mir diese Streichung absolut lächerlich vorkommt.
Schon mal daran gedacht, deine Forenbeiträge auch privat zu veröffentlichen und damit die ZDF-Zensur zu protokollieren und vielleicht sogar zu verstehen? Ist ja kinderleicht. Oder wer weiß, man könnte sogar ein freies Phi-Qua-Forum aufmachen, parallel zum Original und unabhängig von der Anstalt, in dem sich die redaktionellen Entscheidungen der ZDF-Moderation abzeichnen würde ...
Ja, ich glaube, diese Idee gefällt mir. Danke für die Inspiration.
06/27'10 Lieber Tosco, "Signorina Ignorina" find ich nett. Klingt für mich ein bisschen nach bella Italia. ;-)
Freie Philo-Foren gibt es schon. Mit Selbstzensur. Wer andere beleidigt, wird gesperrt. Falls Du eines eröffnest, nenne es bitte nicht "Quartett".
06/28'10 Ich fand Signorina Ignorina nämlich auch sehr flott und elegant ...
Klar gibt es freie Philo-Foren, aber ich meinte ja ein ganz besonderes: ein freies Parallel-Forum zum dem vom ZDF, das alle genehmigten Einträge enthält und diese um alle wegeditierten Texte und Textteile ergänzt, um daraus die Zensurpolitik der Anstalt ablesen zu können. Empirisch sozusagen. Der ModeratorIn würde praktisch vom schweigenden zum aussagenden Gesprächsteilnehmer, indem er weglässt statt zu ergänzen.

06/22'10 Zentralintelligenz Agency

Was macht dich eigentlich so sicher, dass "es die Ökonomie ist", cupf?
Etwa weil Politiker mit ihr Wahlen gewinnen?

Du diskutierst Wirtschaftsfragen und Marktkorrekturen wie Lina und Lukrezia Nietzsche diskutieren: im luftleeren Raum. Kein Wunder, dass dir "Fragen mit Lernschleife" dann als "geheimnisumwitterte Monolithe" vorkommen ...
Bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, dass die aktuelle Börsenüberhitzung vielleicht auch damit zu tun haben könnte, diesen permanenten Fokus, diesen penetranten Hype ums Geldvermehren, ums Habenwollen auf ein neues (quasi-)religiöses Niveau zu stemmen? Um dem eigenen Seelenheil in Zukunft dann nur noch emsiger, noch verzweifelter im Laufrad des Derivate-Kasinos und allen ähnlich verheißungsvollen Inbesitznahme-Anstalten nachzulaufen?
An Sloterdijk perlt diese ganze Krisenhysterie doch eher als vergleichsweise lächerliche Erregung ab, für die man sich keinen kostbaren Schweiß aus der Stirn pressen muss, weil (gewöhnliche) "Spießerintelligenz" zur Bewältigung dieses Problemchens ja reichen müsste ("wenn er sich nicht völlig täuscht"):

"Ich glaube, Menschen sind nicht geschaffen um einzusehen, dass die Welt in letzter Instanz keine Zentralintelligenz besitzt. Also ich glaube, wir sind einem solchen Gedanken nicht gewachsen [...] Deswegen haben auch fast alle Kulturen so etwas wie eine Phantasie hervorgebracht – die möchte ich gar nicht unbedingt religiös nennen, sondern das ist so eine Art Volksmetaphysik, die überall hat entstehen müssen – nämlich dass es irgendwo in der Welt eine Zentralintelligenz gibt, die versteht, was geschieht. Es ist ein zu schrecklicher Gedanke sich ausmalen zu müssen, dass wir in einem Zug ohne Lokomotivführer sitzen. Und wenn das Weltall als ganzes, wenn die Evolution als ganze so ein Zug ohne Lokführer sein sollte, dann können wir eigentlich nicht mehr schlafen. Also die Tatsache, dass wir schlafen können, setzt eigentlich immer wieder voraus, dass wir davon ausgehen, in der Zwischenzeit hält jemand die Wache. Und diese Wächterphantasien begleiten eigentlich das Tun und Lassen des Menschen in allen möglichen Situationen.
Und in dem Augenblick, wo die religiösen/philosophischen Fiktionen der Vorhersehung sich schwächen – die letzte große Fiktion dieses Typs war eben der Hegelsche Weltgeist – stellt die menschliche Vernunft mit einem Mal auf neue Systeme um: Da wird Kybernetik ins Spiel gebracht, d.h. wo nämlich die Intelligenz von unten her emergiert. Der Markt ist ja eigentlich so eine kybernetische Phantasie, dass wir gar keinen Gott brauchen, weil wir eine Gottmaschine haben.
Meyer) Aber es ist doch eine Substitution des Gottes. Es gibt ja diese Begriffe: Es gibt die unsichtbare Hand des Marktes – also es gibt ja Gottes unsichtbare Hand, die uns leitet – diese unsichtbare Hand bestraft Leute, die sich im Markt falsch verhalten – das ist doch was göttliches, was da bestraft und waltet.
S.) Aber es gibt zwei Möglichkeiten, diese von Adam Smith so großartig visionär beschriebene unsichtbare Hand zu charakterisieren. Man könnte sie sich als eine Hand vorstellen – das hat man übrigens in den Emblemen des 17. und 18. Jh.s sehr häufig auch dargestellt, dass aus dem Himmel eine Hand herunterkommt und die Verhältnisse auf der Erde zurechtrückt.
M.) Oder den Zeigefinger hochhält.
S.) Wie wenn ein göttlicher Schachspieler sozusagen die Figuren auf dem terrestrischen Schachbrett bewegt. Oder aber, und das ist die zweite, genial moderne Möglichkeit, Adam Smiths Metapher von der unsichtbaren Hand zu interpretieren, nämlich dass es so etwas wie einen sich selber klugmachenden Mechanismus gibt. D.h., wir brauchen dann keinen Gott von oben, sondern es gibt autodidaktische Energien in der Welt, die so hoch sind, dass sie durch Versuch und Irrtum sich darüber belehren, nach welchen Regeln sie in Zukunft ihr Verhalten einstellen müssen, obwohl es dann immer natürlich ausgemacht ist, dass man ewig weiterlernen muss. Also Geschichte ist nach der Konzeption der großen Denker des 18. und 19. Jh.s genau der Prozess, in dem man nie ausgelernt haben wird."

06/22'10 Powerpoint-Präsentationen

Sloterdijk weiter) "Und ich glaube, was wir heute erleben, ist eigentlich so etwas, was man am produktivsten interpretieren kann, wenn wir sagen, das ist die große Herausforderung an die autodidaktischen Energien, die im Augenblick greifen müssen.
Und jetzt kommen eben diese ganzen Spießer zusammen und sagen, unsere Intelligenz, unsere Spießerintelligenz (die wollen ja gar nichts besonderes sein) reicht aus, um mit Herausforderungen dieser Art zurechtzukommen. Und wenn ich mich nicht völlig täusche, stimmt das auch. D.h., man muss kein Genie sein, um solche Aufgaben zu lösen. Die sind im Grunde genommen nicht unlösbar, und die Regelwerke, die dafür erlassen werden müssten, sind keineswegs Geniearbeit, sondern sie sind moralisch anstrengend. Also es ist nicht eine Herausforderung für die Intelligenz, es ist eine Herausforderung für die moralische Energie der Beteiligten, und da wird's so eng und so schwierig, denn die lässt sich nicht einfach herbeibefehlen."

Nun, ich finde, es gibt einen wesentlich produktiveren Denkansatz, um autodidaktische Energien zum Fließen zu bringen und vakuumöse Interpretationsbemühungen aus philosophischen Umlaufbahnen zurück auf die Erdoberfläche zu holen.

"Das Problem hätte schon jahrelang offensichtlich sein müssen. Die Bezahlung von Führungskräften – das offensichtlichste Beispiel für die legale Korrumpierung im Management – bezeichnete das Magazin "Fortune" bereits vor 15 Jahren als skandalös. Während sich Amerika immer mehr in eine Liebesaffäre mit dem Prinzip der Leadership (Menschenführung) stürzte, entfernten sich die Konzernlenker mit immer obszöneren Gehaltsmodellen genau davon. Und das, während sie Tugenden wie Teamwork und nachhaltiges Wirtschaften weiterhin in den Himmel hoben.
Zu diesem Scheitern gehört auch das Prinzip der Planung. Viele Unternehmen sind zu Experten in Sachen Planung geworden: Geschäftspläne für Investoren, Strategie-Pläne für alles andere. Die Umsetzung stand auf einem ganz anderen Blatt. Ein Manager, den ich kenne, lachte einmal über die Debatten in seiner eigenen Firma, wenn es um Powerpoint-Präsentationen für Investoren ging. Es waren Pläne, von denen sie alle wussten, dass sie niemals in die Tat umgesetzt würden. Was sie umsetzten, waren ganze Wellen von Fusionen – mit dem Ziel, größer zu werden als der Mitbewerber, nicht besser." Kioskiero Ricci Cigar Riegelhuth lässt grüßen ... "Der Film [The Corporation] ist weder wertend noch tendenziös, allerdings schockiert er mich dadurch immer wieder durch seine Unaufgeregtheit. Die interviewten Personen entlarven sich jeweils selbst in unnachahmlicher Weise!"

Aus seiner fachspezifischen Vogelperspektive gelingt dem Sprachmagier natürlich (logischerweise) kein hochauflösender Blick ins Innere des Börsenbe- und getriebes, deshalb empfehle ich als Kontrastprogramm zu den allzu leicht-frivolen Sinnzusammenhangserwägungen von Sloterdijk/Meyer, die mit ihrem "Geplänkel" entweder bewusst oder unabsichtlich immer wieder den Blick von wesentlich bedeutsameren Hintergrundsaufhellungen abziehen, die beiden jüngsten Video-Auskopplungen aus dem "Tragedy-and-Hope"-Projekt von Richard Grove, "Wall Street whistleblower proves that money never sleeps" und "Broken Trust: Wall Street's Dead End".

Von welcher Wirtschaftskrise redest du eigentlich, cupf? Dem Verschmelzen der beiden Blöcke aus dem Kalten Krieg, gewohnt inhaltsleer mit "Globalisierung" betitelt (wie "Internet" oder "9/11" z.B.)? Abgesehen von diesem Verschmelzungsprozess kann ich nämlich lediglich ein massives Abschöpfen von Phantomkapital erkennen, welches sich nach eklatanten Vertrauenseinbrüchen im Finanzsektor lähmend auf den Kreditverkehr ausgewirkt hat. Glaubst du denn im Ernst, ein Exportweltmeister könnte in Schulden ertrinken?
Wer sich zu fein dafür ist, tatsächliche Machtverhältnisse bis auf den Grund zu durchleuchten, kann seine akademischen Erörterungen bis in alle Ewigkeiten aufeinanderstapeln und wird dennoch nie einen Blick übern Tellerrand erhaschen.

Der Sphärenphilosoph lenkt seine Aufmerksamkeit eben wie jeder andere auch schlicht und ergreifend entlang seines Frömmigkeitsspektrums, seines Frömmigkeitsprofils ... und das kommt dann dabei raus.

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